Sonntag, 4. Oktober 2009

Versteckte Attacken gegen Pius XI.

Im Juli 1938 erschien in verschiedenen italienischen Zeitungen das von zehn Universitätsprofessoren verfasste und unterzeichnete sog. "Rassenmanifest" ("Manifesto della razza"), das bald darauf von der Regierung als Grundlage zur Ausarbeitung der Rassengesetze herangezogen wurde.

Pius XI. nennt die darin enthaltenen Thesen eine wahre Apostasie (Abfall von Gott/vom Glauben).
In mehreren Reden betont er, katholisch bedeute "universal, nicht rassistisch, nationalistisch, separatistisch."
Auch äussert er sich abfällig, ob Italien es denn nötig habe, nun unseligerweise Deutschland nachahmen zu wollen.

Dem folgen unmittelbar Gegenattacken
> seitens der Faschisten
> der "Civiltà Cattolica"
> durch Mussolini persönlich

Jesuiten und "andere Katholiken"

Im August 1938 veröffentlichte die Zeitung "Regime Fascista" eine Serie äusserst judenfeindlicher Artikel der Jesuitenzeitschrift
"Civiltà Cattolica" aus dem Jahre 1889, um Pius XI. vor Augen zu führen, dass diese antijüdischen Massnahmen durchaus im Sinne der Kirche seien (nicht dass "Civiltà Cattolica" nach 1889 ihre Judenhetze eingestellt hätte, diese Serie war nur eine der schlimmsten).

Als Begleitkommentar heisst es im "Regime Fascista":

«Nach dem Studium derselben [judenfeindliche Artikel in der "Civiltà Cattolica"] dämmert es uns, dass die modernen Staaten und Gesellschaften, und sogar die gesundesten und mutigsten Nationen Europas, Italien und Deutschland, sehr viel von den Patres der Jesuiten zu lernen haben. Und wir gestehen, dass der Faschismus dem Rigorismus der "Civiltà Cattolica", sei es in deren Vorsätzen, sei es in der Ausführung*, bei weitem unterlegen ist. Doch wir gestehen gleichermassen unsere schmerzliche Befremdung und und unsere Empörung, wenn wir diesen gerechten und grossherzigen ("generoso"!) Kampf der weisen und untadeligen Jesuiten der Haltung anderer Katholiken gegenüberstellen.»

Mit diesen "anderen Katholiken" ist wohlweislich Pius XI. gemeint:

«Wären wir nicht Katholiken, hätten wir heute die Worte des Heiligen Vaters mit Begeisterung aufgenommen, wie dies von Seiten der Kommunisten, Freimaurer, Sozialisten, Juden und Protestanten geschehen ist.»


(* z.B. hatte das Ghetto in Rom den längsten Bestand in ganz Europa, erst 1870 wurden seine Mauern definitiv niedergerissen, nebst weiteren antijüdischen Massnahmen, auf die hier wohl angespielt wird.)

N.B. Am 9. September, drei Tage nach der bewegten Rede Pius' XI. ("Spirituell sind wir alle Semiten"), verteidigte "Civiltà Cattolica" ihre 1889er-Kampagne; diese sei vom "Spektakel jüdischer Aufdringlichkeit und Arroganz inspiriert".

Gottgefällige Rassendiskriminierung

Der Kommentar der "Civiltà Cattolica" zum Rassenmanifest lässt Pius' XI. Stellungnahmen als "Irrlehre" erscheinen:

«Wem die Thesen des deutschen Rassismus nicht fremd sind, dem werden die beträchtlichen Unterschiede derselben gegenüber jenen von diesen italienischen faschistischen Gelehrten vorgeschlagenen gewiss auffallen. Dies bestätigt wohl, dass der italienische Faschismus sich nicht mit dem deutschen Nazismus oder Rassismus, welcher seinem Wesen nach und explizit materialistisch und antichristlich ist, vermischen will.»

Das soll nun folgendes bedeuten:

1. Die italienischen Rassengesetze sind im Gegensatz zu den deutschen nicht unchristlich, also darf man sie wohl bedenkenlos einführen

2. Sie stellen somit auch keine Apostasie dar (wie sie Pius XI. irrtümlicherweise nennt)

3. Die italienischen Faschisten kopieren keineswegs Deutschland (wie dies Pius XI. "fälschlicherweise unterstellt")

4. Im "Rassenmanifest" wird klar festgehalten, die "Rassenfrage" müsse von einem "rein biologischen" Standpunkt her angegangen werden, nicht von einem philosophischen oder religiösen.
Damit zerstört die "Civiltà Cattolica" die einzige (ohnehin schon lächerliche) heutigen Apologeten noch verbleibende Ausrede, die Kirche habe den rassistischen Antisemitismus immer bekämpft.
(Es ist ohnehin schon aus älteren Hetzschriften der "Civiltà Cattolica" zu entnehmen, dass sie sehr wohl den Begriff "Rasse" zur Ausgrenzung und Dämonisierung gebrauchte:
''Oh how wrong and deluded are those who think Judaism is just a religion, like Catholicism, Paganism, Protestantism, and not in fact a race, a people, and a nation! ... For the Jews are not only Jews because of their religion ... they are Jews also and especially because of their race.'' (um 1880)
(aus einer Rezension zu David Kertzers Buch "The Popes against the Jews").

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