Sonntag, 4. Oktober 2009

Irene Harand: "Sein Kampf" 1935


Irene Harand über Pius XI. (1933)

Irene Harand, eine Wiener Katholikin, schrieb 1935 eine "Antwort an Hitler", in der sie Punkt für Punkt seine in "Mein Kampf" dargelegten Meinungen über die Juden widerlegte.

Welch schönere Distanzierung von Hitlers Hasstiraden als ihr Buchtitel: «Sein Kampf»

2005 wurde das Buch von Franz Richard Reiter im Wiener Ephelant-Verlag neu aufgelegt (steht natürlich in meinem Bücherregal). Auch im Internet ist es hier als pdf abrufbar: "Sein Kampf - Antwort an Hitler" (von Irene Harand, 1935)

Auf Seite 41 steht über Pius XI. (es ist seine einzige Erwähnung im Buch):

«Die Nachrichtenagentur "Central News" verbreitete im August 1933 eine römische Meldung, der zufolge der Papst unter dem Eindruck der Nachrichten über die fortgesetzten Judenverfolgungen in Deutschland sich abfällig über die antisemitische Bewegung geäussert hätte.
Papst Pius XI. erklärte, die Judenverfolgungen seien ein Armutszeugnis für die Zivilisation eines grossen Volkes. Er erinnert daran, dass Jesus Christus, die Mutter Gottes und ihre Familie, die Apostel und viele Heilige jüdischer Abstammung waren und dass die Bibel eine Schöpfung der Juden sei. Die arischen Völker hätten, sagte der Papst, keinen Anspruch auf Überlegenheit über die Semiten.»


Sind Thomas Brechenmacher und Hubert Wolf bei ihrer Durchforstung der Vatikan. Geheimarchive denn nicht auf diese "römische Meldung" aus dem Jahre 1933 gestossen? Haben sie sie je publiziert?
Im Internet finde ich sie jedenfalls ausser im Buche Harands selber nur ein einziges Mal erwähnt, hier, und erst noch auf Englisch, in einer Aufsatzsammlung "Christian Responses to the Holocaust" (S. 132: "Irene Harand's Campaign Against Nazi Anti-Semitism in Vienna, 1933-1938" von Gershon Greenberg).
Sonst gar nirgends ...


 Ein bewegtes Leben - Irene Harand (1900 - 1975)

Irene Harand arbeitete in den späten 20er-Jahren als Angestellte beim jüdischen Rechtsanwalt Moriz Zalman in Wien, mit welchem sie 1930 die "Österreichische Volkspartei" gründete.
1933 gründeten sie wiederum zusammen den "Weltverband gegen Rassenhass und Menschennot", der bald nur noch "Harand-Bewegung" genannt wurde, auch im Gegensatz zur "Hitler-Bewegung"; diese zählte bald etwa 36'000 Mitglieder weltweit.
Ihre Wochenzeitschrift "Gerechtigkeit", die von 1933 bis 1938 in einer Auflage von 28'000 Exemplaren - für kurze Zeit auch in Polnisch und Französisch - erschien, trug auf der Titelseite das Motto: "Ich bekämpfe den Antisemitismus, weil er unser Christentum schändet".
Im März 1933 veröffentlichte Irene Harand bereits ein Buch mit dem Titel "So? oder so? - Die Wahrheit über den Antisemitismus".
1935 dann ihr Buch "Sein Kampf - Antwort an Hitler", das auch ins Englische und Französische übersetzt wurde.
In ausgedehnten Vortragsreisen durch Europa und die USA versuchte sie die Öffentlichkeit gegen den Nationalsozialismus und speziell gegen den Antisemitismus zu mobilisieren.
Wie sehr ihre Aktivitäten ernst genommen wurden, beweisen mehrmalige Proteste des deutschen Gesandten Franz von Papen bei der österreichischen Regierung; diese seien ein "Eingriff in innerdeutsche Angelegenheiten".
Beim Anschluss Österreichs 1938 hielt sie sich glücklicherweise gerade in England auf, von wo aus sie später mit ihrem Mann in die USA emigrierte. Moritz Zalman wurde 1940 im KZ Sachsenhausen umgebracht.
Auf Irene Harand wurde ein Kopfgeld von 100'000 Reichsmark ausgesetzt; ihre Bücher in Salzburg öffentlich verbrannt.
1968 wurde sie von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt.
Sie starb am 2. Februar 1975 in New York.

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