Sonntag, 4. Oktober 2009

Stimmen Kontrast Pius XI. und Pius XII.

Nachtrag vom 28. März 2010

Stimmen von Zeitgenossen zum Kontrast zwischen Pius XI. und Pacelli (Pius XII.)

betreffend die Judenverfolgungen

Robert Leiber, Privatsekretär Pacellis
1960 schrieb der Jesuit Robert Leiber, langjähriger Privatsekretär Pacellis, "dass Pius XI. im allgemeinen von einer öffentlichen Stellungnahme nicht leicht abzubringen, Pius XII. nicht leicht dazu zu bewegen war".

Bischof Alois Hudal
Auch Hudal versichert in seinen Memoiren glaubhaft, alle entsprechenden Initiativen seien "im Interesse einer friedlichen Entwicklung mehrmals durch das Dazwischentreten des Staatssekretariats [Pacelli] und der päpstlichen Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten durchkreuzt und abgeschwächt" worden.

aus: "Pius XII. und die Juden - eine Analyse des Pontifikats Pius' XII."

Kardinal Eugène Tisserant
Im Juni 1940, kurz vor der Kapitulation Frankreichs, als die Gräueltaten der Nazis in Polen zumindest den obersten Diplomaten bekannt waren, schrieb der im Vatikan tätige Kardinal Eugène Tisserant an den Erzbischof von Paris, Kardinal Emmanuel Suhard:

«Ich fürchte, die Geschichte wird dem Heiligen Stuhl vorzuwerfen haben, er habe eine Politik der Bequemlichkeit für sich selbst verfolgt, und nicht viel mehr. Das ist äußerst traurig, vor allem, wenn man unter Pius XI. gelebt hat.»

Gleich mit dieser Episode, mit dieser Äusserung Tisserants, beginnt auch ein längerer Aufsatz von Peter C. Kent; im zweiten Abschnitt fährt er gleich fort - und das bereits 1988 !:

«In the studies which seek to explain Pius' XII silence in the face of certain knowledge of Hitler's extermination policies during the second world war, little attention has been paid to this contrast between Pius XII and his predecessor, Pius XI.»

«In den Forschungsarbeiten, die das Schweigen Pius' XII. angesichts einigen Wissens um Hitlers Vernichtungspolitik während des Zweiten Weltkrieges zu erklären versuchen, wurde [bislang] diesem Kontrast zwischen Pius XII. und seinem Vorgänger, Pius XI., wenig Beachtung geschenkt.»


Dies zu belegen ist offenbar auch das Anliegen seines Aufsatzes - wie gesagt bereits 1988 ! - Peter C. Kent:
"A Tale of Two Popes: Pius XI, Pius XII and the Rome-Berlin Axis" in "Journal of Contemporary History", Vol. 23 (1988) S. 589-608; (habe es noch nicht erwerben können).

Joseph Wirth
Der frühere Reichskanzler Joseph Wirth, der sich auf internationaler Bühne äußerst intensiv um ein vatikanisches Vorgehen gegen den Antisemitismus bemühte … schrieb im Sommer 1939 an einen Bekannten, die "kommende Enzyklika" [die nie veröffentlichte "Humani Generis Unitas"] sei bislang aus taktisch-diplomatischen Gründen zurückgestellt worden.

Wirth zeigte sich über dieses Handeln Pius' XII. enttäuscht. Er habe im Rahmen seiner Bemühungen tiefe Einblicke in die Mentalität des neuen Papstes gewonnen, in seinem Herzen aber lebe noch "die Nachwirkung der hohen geistigen Linie von Papst Pius XI. hochseligen Angedenkens".

aus: "Pius XII. und die Juden - eine Analyse des Pontifikats Pius' XII."
Ein guter biografischer Artikel über Wirth.

Auch Dino Messina vom "Corriere della Sera" - nebst manch anderen - sucht seit längerem diesen "Kontrast", v.a. anhand neu zugänglicher Dokumente, hervorzuheben; z.B. hier und hier.

Nachtrag vom 14. August 2010:
Der katholische Publizist, Historiker und Dramaturg Friedrich Heer (1916-1983 in Wien) bezeugt den "allgemeinen Tenor", den er - als er nach 1945 erstmals wieder in Rom war - hier vorfand:

«Die von Rolf Hochhuth behandelten Probleme ... wurden mir selbst erstmalig nach 1945 in Rom, von katholischen Priestern, in einer Optik dargestellt, die nahe an die des deutschen Autors herankommt. Der allgemeine Tenor ... war: "Unter Pius XI. wäre das nicht möglich gewesen."»

aus einem langen "Spiegel"-Artikel vom April 1963 zur Erstaufführung bzw. zur Herausgabe Rolf Hochhuths "Der Stellvertreter".

Direktere und "unverdächtigere" Zeitzeugen als katholische Priester in Rom nach 1945 darf man sich wohl kaum wünschen.



Joseph Wirth (1879-1956)
war ein Politiker der (katholischen) Zentrums-Partei und von 1921-22 Reichskanzler der Weimarer Republik. Gleich nach Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes, das Hitler diktatorische Vollmachten übertrug (und das nur "dank" dem Votum der Zentrums-Partei zustande kommen konnte), begab er sich im März 1933 ins Exil, von wo aus er sich dank seiner vielfältigen Kontakte, auch zum Vatikan, unermüdlich gegen den Nationalsozialismus und die Judenverfolgungen einsetzte.


Alois Hudal (1885-1963)
war Rektor des deutschen Priesterkollegs "Santa Maria dell'Anima" in Rom.
In seinem 1936 erschienen Buch "Die Grundlagen des Nationalsozialismus" strebte er eine Symbiose zwischen Nationalsozialismus und Katholizismus an, sofern ersterer nicht das Christentum zu ersetzen trachtete. Ein Exemplar ging an Hitler mit der Widmung "dem Führer der deutschen Erhebung und Siegfried deutscher Hoffnung und Grösse", der solches gewiss sehr zu schätzen wusste: "Unverhältnismäßig hoch war der Prozentsatz der Juden in den Spitälern …, im Rechtsberufe, in den freien künstlerischen Berufen, in der Presse - von der Finanzwelt nicht zu sprechen. Die Folge mußte eine Vergiftung der deutschen Seele mit fremden Auffassungen und Lehren sein …"
Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich Hudal der "karitativen Nächstenliebe" (wie er selbst es nannte), indem er hochrangigen NS-Verbrechern wie Eichmann, Mengele, Priebke und vielen mehr zur Flucht, meist nach Argentinien, verhalf.

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